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Kolumnen der Pionier*innen
Die Kolumne der Pionier*innen
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Nachbarschaft
Kolumne 8
- Neulich, ich hatte Rücken nach einer eher ungelenken Bewegung, war ich auf der Suche nach schneller Hilfe in misslicher Lage. In der Stadt, ich erinnerte mich, hätte die Suche nach fachlicher Expertise mit einer ausgiebigen jameda Recherche begonnen und wäre mit einem Termin in 3 Monaten geendet (den ich vermutlich aufgrund des Abklingens der Symptome nicht wahrgenommen hätte). Verstehen Sie mich nicht falsch, ich will hier nicht zum Lobesgesang auf eine bessere medizinische Versorgung im ländlichen Raum angeben. Denn das ist sie nicht. Es geht mir vielmehr um die Art und Weise, wie mir diese in der Notlage bereitgestellt wurde, bzw. wie ich den Zugang zu dieser gefunden habe. Denn es war nun so, dass ich aufgrund der häufigen und wechselnden Kontakte in Fachwerkei und auf dem Marktplatz ausreichend Gelegenheit hatte, mein Leid zu klagen. Das hatte zur Folge, dass ich – vermittelt durch eine Büronachbarin – bereits am nächsten Tag einen Termin in der ambulanten Sprechstunde vor Ort bekam. Meine Rückenschmerzen waren damit zwar nicht behoben, jedoch war ich sehr erfreut darüber, wie zügig mein Anliegen über die Kanäle bearbeitet wurde. Jetzt fragen Sie sich vielleicht, was das Ganze mit Nachbarschaft zu tun hat. Schon der von mir verwendete Begriff der Büronachbarin zeigt, dass Nachbarschaft ein vieldeutiges Ding ist. Nachbarschaft hat eine räumliche, als auch eine soziale Komponente. In Nachbarschaft sind Dinge, Gebäude oder Personen in räumlicher Nähe. Als soziale Kategorie ist Nachbarschaft durch die Bindung an den geteilten Ort der Wohnung definiert. Es ist somit vielmehr die gemeinsame und geteilte Nutzung von etwas – seien es Straßen, Geschäfte oder eben medizinischer Versorgung – über die sich Nachbarschaft herstellt und man oder frau zu Nachbar:innen werden. Dafür müssen wir uns weder räumlich, geschweige denn emotional nah sein. Nachbar:in ist man also, ob man will oder nicht, unabhängig davon ob man seine Nachbar:innen mag. Eine der wichtigen Erkenntnisse in Bezug auf Quartiere ist, dass Nachbarschaften als Sozialräume qualitativ gestaltet werden können. Ein wichtiges Kriterium ist hierbei die Zahl der Interaktionen, die wir mit unseren Nachbar:innen haben. Je höher die Zahl der Interaktionen, desto höher die Zufriedenheit mit den nachbarschaftlichen Beziehungen. Damit einher gehen vielfache positive Effekte wie der Aufbau von Vertrauen und die Einhaltung sozialer Normen. Nachbarschaft erbringt aber auch gemeinwohlorientierte Leistungen, so z.B. wenn Kinder in der Nachbarschaft nicht gefährdet sind und draußen frei spielen können (was wiederum auf sozialer Kontrolle beruht, ob man diese mag oder nicht). In letzter Zeit wurde Nachbarschaft fast schon als Allheilmittel gepriesen: Ersatz für erodierende staatliche Institutionen und Leistungen, als Hort des Gemeinwesens der Vereinsamung ebenso wie Ghettobildung entgegenwirkt etc. pp. Ob Nachbarschaft all das leisten kann, wäre eine interessante Frage. Diese kann hier aber aus Platzgründen nicht behandelt werden. Die Euphorie rund um die „neue“ Nachbarschaft wäre aber eine solche Debatte wert, um Nachbarschaft nicht verklärt zu romantisieren. Dies würde zu Klärung der Erwartungen beitragen, und auch die Frage auf den Plan rufen, was Nachbarschaft angesichts der politischen und wirtschaftlichen Defizite unseres Systems leisten kann und soll, bzw. was uns diese Leistungen wert sind. Der Tag der Nachbar:innen am 20. Mai 2022 wäre ein schöner Anlass, um über Nachbarschaft ins Gespräch zu kommen. Oliver Müller
Abschied
Kolumne 7
- Ja, ich muss schon wieder los, zurück in die Stadt. Die Arbeit ruft. Und ich schaff das hier nicht parallel dazu. Denn Homberg und das Projekt der Pionier*innen verdienen Aufmerksamkeit. Und Energie. Beides kann ich grad nicht in dem Maß geben wie beide es - aus meiner Sicht - brauchen. Ich find’ das echt ein bisschen traurig - spüre aber auch Erleichterung. Wie bei jedem guten Ende, bei jedem guten Abschied. Traurig, weil ich die Menschen, die Stadt und das Projekt ins Herz geschlossen hab’. Und Freude über das was war - und das was kommt. Es war wirklich toll hier zu sein, in Homberg, bei Euch. Das alles hier und Euch kennen gelernt zu haben. Ich habe hier Erfahrungen gemacht, die ich nicht missen möchte. Und deswegen fühlt sich dieses vorzeitige Ende meines „Homberg-Abenteuers“ dann doch viel weniger wie ein Scheitern, sondern vielmehr wie ein Gelingen an. Auch wenn es nur 2 Monate waren, so nehm’ ich was mit, haben mich Homberg und das Projekt hier nachhaltig bereichert. Ich habe interessante Menschen und Lebensentwürfe kennen gelernt, habe gelernt mit Gruppen - und mit Hunden - umzugehen, wurde inspiriert wieder regelmäßig Yoga zu machen und habe gelernt, was eigentlich gegen meine Rückenschmerzen hilft: Loslassen. Deswegen übernehme ich jetzt auch meinen etwas lockereren Kleidungsstil, den ich mir in Homberg angewöhnt hab, in meinen Alltag in Berlin. Insofern hat mir der Aufenthalt hier sogar eine neue Art von Freiheit geschenkt. Ja, es ist und bleibt spannend, das Leben. Ich werde Euch vermissen! Und wünsche mir - neben vielem anderen - dass diese Kolumne weiterlebt. Vielleicht ja auch irgendwann als ein gemeinsames Projekt von Homberger*innen und Pionier*innen zusammen. Es gibt noch so viel zu sagen, so viele Gedanken und Gefühle - aber ich glaub’ ich lass es jetzt gut sein und ende mit einem tief empfundenen: Es war schön! Also: Tschüss Homberg, tschüss Pionier*innen, danke für Alles - und ein schönes Leben noch! P.S.: Solltet Ihr Euch mal in unsre Gemeinschaftsküche in die Löw*innenapotheke verirren: Unbedingt den Dalat von Lisa probieren! Robert Wilde
Der Homberger Balkon
Kolumne 6
- Die Welt ist zu hektisch wir müssen uns mehr Zeit nehmen für uns für unsere Liebsten weniger konsumieren mehr Sein jetzt, hier, im Moment sofort! Was für ein Stress ist es bitte Achtsam zu sein? Und es kann auch richtig teuer werden. Ein »Retreat«, ein ruhiger Ort, an dem man sich entspannt und meditiert, kann richtig Geld kosten. Diesen Stress und das Geld brauchte ich zuletzt nicht, ich bekam 10 Tage Isolation zu zweit geschenkt. Bei soviel Zeit konnte ich unseren 40m² Balkon richtig schätzen lernen. Zum Beispiel die Blaue Holzbiene, die jeden Tag unsere Primeln besuchte. Auch die netten Frauen vom Bauamt traten ab und zu vor unser Fenster, begutachteten Baustellen, telefonierten, rauchten. Zwitschernde Amseln am Morgen und fiepsende Fledermäuse am Abend. Beim genaueren Beobachten, war richtig was los auf dem Homberger Balkon. Die Sonne lockte uns am Sonntag hinaus. Ich stellte mein Fahrrad auf den Balkon, um daran zu basteln, meine Freundin genoss das Wetter. Als ich grübelte, wie ich eine verdammt feste Schraube lösen könne, lernten wir unsere drei Balkonachbarn mit folgenden an mich gerichteten Spruch kennen: »Überlass das denken lieber den Pferden, die haben einen größeren Kopf.« Auf einen Grillabend in zwei Wochen haben wir uns, nach weiteren Austausch von Sprüchen, dann doch verabredet. Über die restliche Einsamkeit halfen uns Anrufe von zwei Häusern weiter. Wir waren bereits kurz davor ein Dosentelefon dorthin zu installieren. Die Versorgung war auch gesichert: Brot, Pizza, Nudeln und Kuchen haben uns liebe Menschen vor die Tür gestellt. In einem Moment der Ruhe und Achtsamkeit auf dem Homberger Balkon, wurde mir klar, in was für einem Luxus wir leben. Damit meine ich nicht den materiellen Luxus, sondern den Luxus, der Gemeinschaft. Menschen, die sich umeinander kümmern. Hier anzukommen und auf hilfsbereite Homberger*innen zu treffen, die offen für Neue(s) sind. Menschen, die sich freundlich und nicht feindlich begegnen. Und diese Offenheit und Hilfsbereitschaft, brauchen wir gerade jetzt: im Kleinen auf dem Balkon, in Isolation; und im Großen, in Europa, auf der Welt. Als wir wieder auf freiem Fuß waren, wurde ich gefragt: »Was ist für dich Frühling?« Ich antwortete: »Gemeinschaft!« SR und die Pionier*innen
Blaue Banane
Kolumne 5
- Gerne erinnere ich mich an ein Konzept des französischen Geographen Roger Brunet aus den Anfängen meiner Studienzeit zurück. Brunet und eine Gruppe von Mitarbeitenden an der Universität Toulouse prägten in den frühen 1990er Jahren die kartographische Darstellung einer hochverdichteten Großregion, die sich von den industriellen Zentren in Großbritannien, über die Beneluxstaaten, und die Ruhr-Rhein-Neckar-Metropolen, bis nach Norditalien erstreckt. Ihren Namen verdankte die „blaue Banane“ ihrer gekrümmten Form, denn es war Brunets anliegen zu zeigen, dass Frankreich den Anschluss an diesen hochverdichteten Entwicklungsraum verloren hatte. Die charakteristischen Eigenschaften dieses Raumes waren laut Brunet die hohe Bevölkerungsdichte, gepaart mit einer entfesselten wirtschaftlichen und kulturellen Dynamik. Nun ist es so, dass Bilder wie das der „blauen Banane“ bestimmte Vorstellung über die Beschaffenheit der Welt vermitteln und diese symbolisch in unterschiedliche Bereiche aufteilen: Gewinner und Verlierer, Aktive und Passive, wobei die Gewinner miteinander konkurrieren um Investitionen, Arbeitskräfte und Aufmerksamkeit. Die Musik (im wahrsten Sinne des Wortes) spielt in den hochverdichteten Ballungszentren, der Rest: quasi Hinterland. Ob es sich bei der „blauen Banane“ nun um eine Tatsache handelt oder nicht sei dahingestellt. Viel wesentlicher ist, dass Bilder, wie das der „blauen Banane“, mit all ihrem ideologischen Ballast, reale Auswirkungen auf unser Denken und Handeln haben. Sie stammen aus einer Zeit, in der Mann sich die Beziehungen zwischen Städten, Regionen und Dörfern nur als Konkurrenzverhältnis vorstellen konnte. Ein illustres Beispiel jüngerer Vergangenheit sind die allseits beliebten Städterankings, die im Laufe der 2000er aufkamen, und Städte nach unterschiedlichen Kriterien bewerten – wer wollte nicht schon mal in einer Top 10 Global Power City Index Stadt leben? Machen wir uns nichts vor, Homberg liegt weder in der „blauen Banane“, noch sollten wir uns Hoffnungen auf ein Abschneiden auf einem der vorderen Plätze des World’s Best City Index machen. Der andauernde Bevölkerungsrückgang im Landkreis – mit einer kurzen Trendumkehr Mitte der 2000er Jahre – deutet in eine andere Richtung. Aber, und jetzt kommt ein großes ABER: auch die Welt ist in den letzten zwei Jahren eine andere geworden. Was vormals als „überflüssiger Raum“ angesehen wurde ist mittlerweile ein Pfund mit dem man wuchern kann. Die Wohnungsmärkte der Metropolen ächzen unter dem Druck der Rentabilität, um jeden freien Meter öffentlichen Raums werden Kämpfe ausgefochten, die eine gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung frühzeitig ausbremsen. Wo der „Markt“ sich zurückzieht, entsteht Platz für Neues und Veränderung. Denn klar ist auch, wir können (und wollen) nicht zurück ins Zeitalter der industriellen „Segnungen“ – rauchende Fabrikschlöte, Wohnungsnot und grenzenloses Wachstum gehören (teilweise) der Vergangenheit an. Was vormals der „freien Hand“ des Marktes, dem Spiel von Angebot und Nachfrage überlassen wurde, steht heute zur Disposition. Und so müssen wir uns zwangsläufig mit den Fragen beschäftigten, wie wir zusammen Leben, Wohnen und Arbeiten wollen, wie unsere Einrichtungen des Gemeinwesens beschaffen sein sollen, und was der Staat tun kann, um uns dabei zu unterstützen. Denn um aktiv zu werden und die Dinge in die eigenen Hände zu nehmen, bedarf es eines Umdenkens. Der Staat als ermöglichender Unterstützer, der die Rahmenbedingungen setzt und die Ressourcen bereitstellt, damit Menschen selbstbestimmt ihre gemeinsamen Lebensräume gestalten können. Ein schönes Bild, das vielleicht eines Tages das der entfesselten Dynamik der blauen Banane ablösen wird. Oliver Müller
Stadt, Land, Kuss
Kolumne 4
- Seit ich hier in Homberg bin, höre ich immer wieder: Wir sind hier nicht auf dem Land! Als wäre das was Schlechtes, ein Makel. Das habe ich noch nie so empfunden. Das Land is’ doch was Tolles! Genau wie die Stadt. Beim Nachdenken über dieses Thema musste ich auch an die Wiedervereinigung denken. Da hab ich auch nie verstanden, warum sich da nicht die Leute beider Länder gleichberechtigt zusammengetan haben und gesagt haben: Okay, lass uns hinsetzen und miteinander reden: Was läuft bei Euch gut, was bei uns - und dann lasst uns das zusammentun und gemeinsam etwas Neues daraus machen. Es gibt übrigens ziemlich eindeutige Indikatoren dafür, dass man am Land is‘, wie ich finde. Mir fiel das auf, als ich vor ein paar Tagen durch die Außenbezirke von Homberg spazierte und es nach Gülle roch. Dann bist Du am Land. Wenn es ganz normal ist, dass es immer mal wieder nach Gülle riecht. Oder wenn Dir auf der Straße ganz selbstverständlich ein Traktor entgegen kommt. Oder der Bus im Ein-Stunden-Takt fährt. Oder Du zur Disco nach Kassel musst. Und das ist doch toll, dass man das merkt, ob man in der Stadt ist oder auf dem Land. Nur wenn man das merkt, wenn man das feststellt und dazu steht, kann man es schätzen, daraus was machen, es genießen, die Unterschiede feiern und Gemeinsamkeiten finden. Und nicht spöttisch oder gar verächtlich aufeinander schauen. Deswegen „Stadt, Land, Kuss“: Wir sollten nicht das Trennende betonen, sondern neugierig aufeinander sein, einander zuhören, uns annähern, einander umarmen, voneinander lernen. „There's more that unites us than divides us“. Stadt küsst Land und Land küsst Stadt. Robert Wilde
Nie wieder Rückenschmerzen!
Kolumne 3
- Wie mein Aufenthalt in Homberg mir eine der wichtigsten Erkenntnisse der letzten Jahre bescherte. Begonnen hat es damit, dass ich mir nach ein paar Tagen in Homberg dachte: Irgendwas is’ hier komisch. Erst konnte ich es nicht festmachen, aber dann wurde es mir klar: Es gibt hier keine Musik. Obwohl ich gar nicht so ein Musikfreak bin und es fantastisch finde, wenn es auch mal ruhig ist, wenn gar nichts passiert. Das ist sowieso total unterschätzt: Das Nichts, die Pause, die Lücke. Aber dieses Fehlen von Musik, das fand ich irritierend. Wussten Sie übrigens, was die meisten Großkatzen von ihren kleineren Artgenossinnen unterscheidet? Sie können brüllen. Mitten in Homberg steht eine solche prächtige Großkatze rum: Die Löwen-Apotheke. Und weil Löwinnen mindestens genauso schön brüllen können wie Löwen, haben wir sie kurzerhand in Löwinnenapotheke umbenannt - und die wollen wir jetzt zum Brüllen bringen. Neben dem Erdgeschoss, in dem wir ja schon unsere mittwöchliche Gemeinschaftsküche betreiben, hat das Haus noch drei weitere Etagen, die sich herrlich dafür eignen. Vielleicht könnte die Löwinnenapotheke sogar eine Art „Labor für die Krone“ werden, in dem wir verschiedene Formen von Veranstaltungen ausprobieren. Wir könnten das gemeinsame Essen erweitern, einen Filmabend machen, DJ’s und Live-Musikant*innen aufspielen lassen und vielleicht sogar ein Mini-Studio einrichten, aus dem wir live aus Homberg in die Welt streamen. Letzteres haben wir am Internationalen Frauentag tatsächlich auch schon mal ausprobiert. Mit der Live-Premiere unserer „Pioneers Late Night“ auf unserem Instagram-Kanal „homberg_pioneers“. Und wir haben auch schon, still und heimlich, in der ersten Etage ein kleines, internes „Public-Viewing“ gemacht. Wer jetzt wissen will, was das alles mit den Rückenschmerzen und der Erkenntnis vom Anfang dieses Textes zu tun hat, hier kommt’s: Nach dem „Public-Viewing“ hat dann einer von uns plötzlich Musik angemacht - und aus dem beschaulichen, gemeinsamen Fernsehabend wurde innerhalb von Sekunden eine richtige, kleine Party, auf der sogar wild getanzt wurde! Schwitzend und beseelt davon haben wir unser Zeug dann gegen 23 Uhr - immerhin! - wieder eingepackt. Und was soll ich sagen: Als ich am nächsten Tag aufgewacht bin, waren meine Rückenschmerzen wie weg. Ganz ehrlich. Ich glaube das lag nicht nur am Tanzen, an der Bewegung, sondern vor allem daran, dass ich wieder mal, wenn auch nur für ein paar Minuten, „die Sau rausgelassen“ hab’, mich zur Musik bewegt, getanzt und losgelassen hab’. Das ist das Geheimnis. Darum gehts. Genau deswegen wollen wir den Frühlingsbeginn am 20. März zum Anlass nehmen, miteinander in der Löwinnenapotheke zu feiern und zu tanzen. Grade jetzt. Mit Live-Musik, DJ Stracke Wurst - und einer echten Discokugel. Unser aller Herzen und Rücken werden es uns danken. Robert WIlde und Eure Pionier*innen
Die Dorfkneipe
Kolumne 2
- Neulich, es war ein relativ durchschnittlicher Dienstagabend in der Fachwerkerei, packte einen der Pionier*innen zum Feierabend die Lust auf geselliges Biertrinken. Schnell war eine Hand voll Freiwilliger gefunden. In Erwartung des im tief stehenden Kneipenlicht gülden glänzenden Gerstensaftes machte sich ein Stimmungshoch bemerkbar. Ein Kundschafter wurde ernannt und die Sache besiegelt: Heute sollte das Eintauchen in die örtliche Kneipenwelt gelingen! Die Euphorie, die sich zwischen den hell beleuchteten Arbeitsinseln des Co-Working Space (Neudeutsch für Büro) angesichts dunkler Eichenholzmöbel im Dämmerlicht ausbreitete, war förmlich mit den Händen zu greifen. Nach etwa zehn Minuten kam der designierte Späher unverrichteter Dinge zurück. (Er hätte eigentlich die Situation vor Ort analysieren, Kontakt mit dem Malz-Barista aufnehmen und den Boden für die Nachhut bereiten sollen). An besagter Lokalität hing jedoch ein Schild, das die temporäre Schließung in dieser Woche verkündete. Gar kein Problem, nur dornige Chancen, die den Entdecker*innengeist der Gruppe erst richtig anfachten! Mittels Handy-App wurden die Top-5 Zapfhähne der Stadt ausfindig gemacht und der Kundschafter mit Gottes Segen auf den Weg geschickt. Sie können sich den Ausgang der Geschichte vermutlich vorstellen liebe Leserinnen und Leser, und mögen vielleicht denken: Wie kann man nur so töricht sein, an einem Dienstagabend in Homberg auf Kneipentour zu gehen! Dabei war die Situation in Homberg mal eine ganz andere: So muss es nach Angaben eines anonymen Gastes in einem stadtbekannten Etablissement (wohlgemerkt an einem Freitagabend) in Homberg der 90er Jahre hoch hergegangen sein. Sage und schreibe 40 verschiedene Lokalitäten wusste besagter Gast Kraft seiner Erinnerung aufzuzählen. Nun ist es ja nicht so, als wäre das Sterben der Landgasthöfe und Dorfkneipen eine rein hombergische Angelegenheit. Der Trend, sich ins Häusliche zurückzuziehen, befeuert durch 360* Unterhaltung per Knopfdruck im heimischen Wohnzimmer, hat die Institution der Dorfkneipe – neben vielen weiteren Faktoren – beinahe allerorten zwischen Stadt und Land entbehrlich werden lassen. Beinahe – denn es gibt sie noch, die Generation, die sich an diese segensreiche Stätte des Gemeinwesens erinnert. Erst Jahre später begriff ich, dass mein Großvater beim Frühschoppen nach der Kirche nicht Tulpen gegen Geld, sondern Neuigkeiten über Biertulpen austauschte. Die Kneipe im Dorf meiner Kindheit glich in ihrer Funktion einem Basar, nur dass dort keine Waren, sondern Informationen gehandelt wurden. Jeder Ort braucht sein kulturelles Zentrum, an dem sich eine Form von Öffentlichkeit abzeichnet, Gemeinschaft entsteht. Die Kneipe im Dorf meiner Kindheit – sieh hieß „Zapfhahn“ – war so ein kulturelles Zentrum. Heute gibt es sie nicht mehr, und ich war auch nie dort, weil ich damals noch viel zu jung war. So kenne ich nur die ausschweifenden Geschichten meiner Großeltern von rauschenden Festen, die dort begangen, und Nachbarschaftsfehden, die beendet wurden (Die Rede von den „Rademachers“, „Kaussens“ oder „Soumagnés“, denn ähnlich eines Clans wurden Einzelpersonen immer nur als Teil eines größeren Kollektivs angesprochen). Wenn der Städter auf’s Land kommt, bringt er einen ganzen Berg von romantischen Ideen mit sich, so wie die archaische Vorstellungswelt der Dorfkneipe, die soziale Nähe und Überschaubarkeit vermittelt. Zu realisieren, dass diese nicht mehr einfach so zurückkommt tut weh. Was ich, und vielleicht auch die anderen an diesem Abend in der Fachwerkerei gespürt haben, und was unsere Fantasie beflügelte, war dann vielmehr ein nostalgisches Bild von einem vorgestellten Ort unserer (trügerischen) Erinnerung. Denn womöglich hat dieser Ort so nie existiert. Was wir brauchen, ist ein neues kulturelles Zentrum. Raus aus dem privaten Rückzugraum, rein in die Öffentlichkeit. Lasst es uns gemeinsam bauen. Oliver Müller und Eure Pionier*innen
„Schön isses hier, in Homburg!“
Kolumne 1
- Ein Wiener der in Berlin lebt kommt nach Homberg, ist noch keinen Tag da, und schon ins erste Fettnäpfchen getreten. Aber wir Pionier*innen, von denen mittlerweile die zweite Gruppe hier in Homberg angekommen ist, sind lernfähig, wissbegierig, neugierig. Auf diesen Ort und seine Menschen. Und darauf, was es hier für Möglichkeiten gibt. Und die gibt es! Sonst wären nicht sage und schreibe 8 der ersten Pionier*innen hier geblieben. Also wirklich hierhergezogen. Ein Wahnsinn eigentlich. „Neue Homberger*innen“, die hier leben und arbeiten wollen, Unternehmen und Familien gründen werden. Nach wie vor gibt es aber auch viele Fragen. Was machen die hier eigentlich, die Pionier*innen? Was soll das mit den bunten Streifen an den Freiräumen? Was ist ein „Coworking-Space“? Und andersrum: Was machen die hier eigentlich, die Homberger*innen? Was beschäftigt sie und diesen Ort? Was wird hier gebraucht? Eine der ersten Antworten: „Parkplätze“. Schluck. Okay. Wir müssen uns kennen lernen. Einander annähern. Diese Kolumne soll dabei helfen. Ab jetzt ein Mal die Woche, hier im Blättchen. Wir wollen darüber schreiben, was wir in Homberg erleben. Miteinander - und mit den Homberger*innen. Was uns beschäftigt. Über Begegnungen schreiben, über unsere Erfahrungen - und auch über mögliche Missverständnisse. Z.B. was die Markierungen der Freiräume betrifft. Die sind nicht dazu da, den Homberger*innen zu zeigen, wo Leerstand is’. Das wissen die. Diese Markierungen sind für uns da, wie farbige Flächen auf einem Stadtplan, um zu zeigen: Hier braucht es eine Idee, Deine Idee. Dieser Raum kann und will bespielt werden! Und sobald er das is’, kommen die Markierungen auch wieder weg. Und woanders hin. Denn es gibt ja wirklich viel Freiraum hier. Gemeinsam wollen wir darüber nachdenken, was man mit diesen Räumen machen kann. Nicht alles was wir hier vorhaben und ausprobieren, wird funktionieren. Nicht alle werden alles gut finden. Aber wir bemühen uns darum, hier gemeinsam etwas Nachhaltiges und Sinnvolles miteinander aufzubauen. Das „Machwerk“ ist ein erstes Beispiel dafür. In Zukunft wollen wir auch „unsere Gemeinschaftsküche“ in der Löwen-Apotheke öffnen, die bis zum 30.6. als Labor, als Experimentierfläche für das, was vielleicht in Zukunft in der „Krone“ stattfinden kann, fungieren soll. Und bei uns übrigens - natürlich - „Löwinnenapotheke“ heißt. Wir haben mittlerweile übrigens auch kapiert, dass ihr uns beim Spazieren gehen nicht deshalb grüßt, weil wir die „berühmten Pionier*innen“ sind, sondern weil man das so macht am Land. Ich werd das gleich mal in Berlin ausprobieren - frei nach „Borat“: Kulturelle Lernung von Homberg, um Benefiz für glorreiche Stadt von Berlin zu machen. Auf spannende Zeiten - und bis nächste Woche! Robert Wilde und Eure Pionier*innen
In Kooperation mit:
UweDittmer Uwe Dittmer
Fachbereich Wirtschaft/Stadtentwicklung/Tourismus - Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Marktplatz 7